Wir würden keinen Artikel über die Corona-Lage und den Pandemieverlauf in Uganda schreiben, wenn sie sich nicht so sehr von der in Deutschland unterscheiden würde.
Als wir im April 2020 nach Deutschland kamen, als in Deutschland schon Lockdown herrschte, hatte Uganda noch keinen offiziell gemeldeten Corona-Fall. Der erste ugandische Lockdown wurde Mitte März 2020 verhängt und dauerte bis Dezember, der zweite Lockdown startete im Juni 2021 und hält bis jetzt an.
Die Schulen in Uganda wurden am 18. März 2020 geschlossen und sind bis jetzt noch nicht wieder geöffnet! Seit 17 Monaten können die Kinder nicht mehr zur Schule gehen und die Infrastruktur gibt Online-Learning nicht her. Schüler:innen der 2. Klasse müssten mittlerweile in die 4. Klasse gehen. Schüler:innen der 10. Klasse warten immer noch auf ihren Abschluss und müssten theoretisch gleichzeitig schon den Stoff von einem Jahr Oberstufe verinnerlicht haben. Das Gleiche gilt für Universitäten, Abschlüsse verschieben sich um beinahe 2 Jahre. Man kann sich nicht vorstellen, wie und ob wieder geöffnete Schulen und Universitäten die Effekte dieser Lücke auffangen können.
Wenn Schüler:innen in Deutschland sich schon nach 6 Wochen Sommerferien so fühlen als hätten sie „alles vergessen“, wie ist das dann nach 1,5 Jahren? Außerdem wird Zuhause meist Acoli gesprochen, sodass die Schulsprache Englisch in Vergessenheit gerät.
Was machen die Schüler:innen und Student:innen ohne Schule? Viele helfen den Eltern Zuhause und bei der Feldarbeit. Andere werden von den Eltern zur Arbeit geschickt, wie z.B. als Straßenverkäufer:innen, um Geld für die Familie zu verdienen.
Hinzukommt, dass viele junge Mädchen, teilweise 13-/14-jährig, während des Lockdowns schwanger geworden sind. Möglicherweise werden diese jungen Mütter auch nach dem Lockdown nicht mehr zur Schule gehen.
Viele hoffen, dass die Schulen schnellstmöglich wieder öffnen, da die Folgen dieser Schulschließung und der fehlenden Bildung größer sind als die des Virus selbst.
Durch den Lockdown fallen viele Jobs des öffentlichen Lebens (Gastronomie, Boda-Boda (Motorradtaxi), …) weg und somit auch viele Einkommen. Anders als in Deutschland werden keine Soforthilfen von der Regierung bereitgestellt. Gleichzeitig sind Lebensmittelpreise gestiegen. Es stellt sich die Frage, wie Familien ernährt werden sollen. Außerdem können sich viele Familien keine Krankenhausbesuche mehr leisten.
Als Folge der Armut gibt es mehr Kriminalität, die Zahl von nächtlichen Überfällen hat sich beispielsweise erhöht, weil die Menschen immer verzweifelter werden.
Fehlender Impfstoff
Um den Lockdown zu beenden, wäre genügend CoVid-Impfstoff notwendig. Doch während wir im Globalen Norden an der Marke zur Herdenimmunität kratzen, sind in Uganda erst 0,5% der Bevölkerung vollständig geimpft! Nicht mal alle Fachkräfte in Krankenhäusern sind geimpft. Es ist unvorstellbar, wie Deutschland angesichts dieser Situation Impfstoffe einlagert, anstatt sie an Länder des Globalen Südens wie Uganda abzugeben. Danke Spahn. Die kleinen Impfspenden unter dem Namen COVAX helfen zwar, lassen aber die Impfstoffabhängigkeit des Globalen Südens vom Globalen Norden bestehen (https://taz.de/Ungerechte-Impfstoff-Verteilung/!5741644/). Pharma-Konzerne wie Pfizer könnten ohne Probleme ihre Patente freigeben, doch aufgrund von drohenden wirtschaftlichen Einbußen halten sie die Patente geheim.
Eine Lösung wäre der sog. „TRIPS Waiver“. Dieser „[…]sieht die Möglichkeit vor, für die Dauer der Corona-Pandemie auf bestimmte geistige Eigentumsrechte zu verzichten. Das betrifft Produkte und Technologien, die zur Prävention, Eindämmung oder Behandlung von COVID-19 beitragen. Insbesondere Länder des Globalen Südens sollen dadurch in die Lage versetzt werden, etwa Vakzine, Diagnostika oder Therapien rechtzeitig selbst zu produzieren.“ (https://netzpolitik.org/2021/streit-um-impfstoff-patente-was-hinter-dem-trips-waiver-steckt/).
Die Bundesregierung blockiert diesen Vorschlag des TRIPS Waivers. Danke Spahn. Es stellt sich die Frage, wie man die Milliarden-schweren Gewinne der Pharma-Konzerne über die durch Corona bedingte Not in Ländern wie Uganda stellen kann.
Die Corona-Krise hat Uganda schlimmer getroffen als Deutschland oder andere Länder des Globalen Nordens. Genauer gesagt besteht das Problem weniger in den Infektionszahlen, sondern vielmehr in den sekundären Folgen – Arbeitslosigkeit, Armut, fehlende Bildung.
Vielen Dank für diese Informationen. Habt Ihr einen Eindruck davon, wie die Situation bei den Infektionen ist? Uganda hat doch eine sehr junge Bevölkerung für die Corona gar nicht dasselbe Problem darstellen sollte, wie für die alten Gesellschaften im Norden. Gibt es irgendjemand (private Organisationen oder Gesundheitsbehörden), der herauszufinden versucht, wie weit die Immunisierung (durch unentdeckte Infektionen) der Bevölkerung bereits fortgeschritten ist?
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